Dienstag, 6. November 2018

Der MÖTTAUER BERG von Weilmünster

Rezente Spuren von Bergbauaktivitäten am Möttauer Berg Weilmünsters sind zwar vorhanden aber nicht auf den ersten Blick erkennbar. Als "Möttauer Berg" wird hier der Höhenzug zwischen Lützendorf und dem Eppenbachtal am Bieler Berg beschrieben, auf dem heutzutage das Gewerbegebiet "Auf Stein" liegt und über den die heutige Nassauer Strasse (früher: Hessenstrasse) zum Einhaus hin verläuft. Schon der Gemarkungsname "Auf Stein" deutet dabei auf den historischen Gesteinsabbau hin.

Als belegte Abbaustätten sind 2 Steinbrüche am Ortsausgang Weilmünsters direkt an der Nassauer Strasse und im Eppenbachtal registriert. Desweiteren existiert eine Hügelkuppen-Geländestruktur am Initiationspunkt des Tales zwischen Weilmünster und Lützendorf deren Phänologie darauf schliessen lässt, dass es sich bei der kegelförmigen Erhebung um eine ehemalige Abraumhalde handeln könnte, doch sind auch andere Interpretationen über die Geländegenese möglich. Am Taleingang des Eppenbachtales mündet desweiteren ein heute noch sichtbarer Felsstollen. Weitere Stollengänge am ehemaligen Bergbaugelände Nassauer Strasse werden dort vermutet.


Kartographische Registrierung der "Schiefergrube" Nassauer Strasse (unten links), des Bielstein-Steinbruches im Eppenbachtal (Mitte rechts) und einer Halden-ähnlichen Geländestruktur im Tal nach Lützendorf hin (Mitte oben). 



Stolleneingang Eppenbach Tal

Am Sockel der Erhebung, auf welcher heute die Katholische Kirche Weilmünsters gebaut ist, befindet sich ein aktuell vermauerter Felsstollen-Eingang unbekannter Funktion. Wenig wahrscheinlich ist, dass das Tunnelbauwerk mit dem religiösen Gebäude in konzeptioneller Verbindung steht, denn das Gotteshaus ist erst ab 1953 erbaut worden, während der Eingang in den Berg den Eindruck erweckt, aus älteren Epochen zu stammen.   

Historische Weilmünsterer Literatur erwähnt die Existenz einer "Synagoge am Eingang des Eppenbach-Tales". Somit könnte der Stolleneingang mit diesem religiösen Bauwerk in Zusammenhang gestanden haben, welches im Zeitraum 1860-1890 "verkauft und abgerissen" worden sein soll, schenkt man denn den wenigen verfügbaren schriftlichen Geschichtsdaten etwas Glauben.

In wenigen hundert Metern Abstand bergaufwärts lag allerdings auch das etwa zwischen 1860 und 1930 betriebene Steinbruch-Bergwerk an der Nassauer Strasse oberhalb des heutigen Schulhauses so dass der Felsstollen aber tatsächlich auch im Zusammenhang mit Bergbauaktivitäten bzw. der Suche nach Erzen entstanden sein könnte. 

Als letzte Entstehungs-Hypothese ist allerdings auch die Tunnelgrabung in Vorkriegszeiten als Luftschutzkeller oder Fluchtbunker zu berücksichtigen. Kriegserwartungs-Psychosen standen nach dem letzten "erfolgreichen" Frankreichfeldzug 1870-71 in Deutschland hoch im Kurs, so dass sowohl unter und nach dem Kaiserreich und vor und während des Hitler-Regimes allgegenwärtige Bunker und insbesondere Luftschutzkeller gegraben wurden, die später, nach dem letzten Kriegsende 1945, ihren Sinn vollständig verloren haben.


Camouflierter Stollen-Eingang am Fusse des Katholischen Kirch-Felsens am Beginn der Eppenbachtalstrasse 

Erster Abschnitt des Felstunnels der nach wenigen Metern teilvermauert ist, so dass der Einblick in die hinter der Sichtschutzmauer befindliche Kaverne verwehrt ist

Verborgen und fast vergessen ist der alte Felstunnel am Fusse des Bieler Berges. Seine Restauration und Umbau in ein Kavernen-Weinlokal wäre eine sinnvolle Entwicklungsmöglichkeit 




Bergwerk Nassauer Strasse

Zwischen etwa 1870 und 1960 wird die Existenz eines Steinbruches am Orts-Rande an der Nassauer Strasse kartographisch registriert, in welchem heute ein Sägewerk angesiedelt ist, das etwa im Zeitraum 1925-30 in den stillgelegten Steinbruch hineingebaut worden sein muss. 


Kartographische Zitate des Steinbruches Lorbeerkrone um 1870, 1910 und 1960

Die Kartierungs-Benennungen sind zweideutig und könnten sowohl eine ehemalige Ziegelei als auch eine Schiefergrube indizieren. Die Flurnamen im Sektor wandelten sich häufig (Lorbeerkrone, Lehmenkaut, Eselsrücken, ...) und geben über die Ortshistorie kaum Aufschluss, weisen aber doch etwas auf eine Tongrube hin.

Aktuell existierende Stolleneingänge sind nicht auffindbar, sollen aber nach Angaben von Anwohnern und der Bergbauverwaltung zumindestens im direkten Bereich des Steinbruches existiert haben. Desweiteren wird ein Gang erwähnt der seitlich etwas oberhalb der Höhe der Weilstrasse in den Berg führen soll. Im Bereich des Wohnhauses oberhalb des Sägewerkes ist eine  gemauerte Kaverne registriert.

Unterhalb des Steinbruchgeländes wurde etwa um 1890 ein modernes zweistöckiges Mehrfamilienwohnhaus für Gemeindebedienstete - das heutige "Schullhaus" - in Ziegelsteinbauweise erbaut. Ihm direkt benachbart werden auf Karten aus dem Zeitraum 1910-1960 ein bzw. zwei weitere Gebäude registriert, die spätestens in der ersten Hälfte der 60iger Jahre abgerissen worden sein müssen. Funktion und Historie der beiden Häuser sind in Dokumenten der Gemeinde angeblich nicht verzeichnet. Ob die Gebäude funktionell mit dem Bergbau in Zusammenhang gestanden hatten, ist bisher nicht bestätigt, doch existieren Hinweise sowohl auf ehemalige landwirtschaftliche Betriebsgeäude des Schulhauses (Scheunen, Stallungen) die zusammen mit dem Wohngebäude um 1890-95 erbaut worden und von einem aus Altenkirchen stammenden Lehrer der Schule genutzt worden sein sollen, aber ebenso auch auf Gebäude einer ehemaligen Ziegelbrennerei in welcher das in der Tongrube gewonnene, irdene Material zu Backsteinen für den Schulhaus- und Sanatoriumsbau gebrannt worden sein sollen. Zahlreiche Weilmünsterer Frauen seien in dieser Ziegelbrennerei beschäftigt gewesen.



Lage zweier heute verschwundener Bauwerke zwischen dem heutigen Schulhaus und dem Bergwerksgelände zwischen 1910 und 1915. An Stelle der ehemaligen Bauwerke steht heute das CID Institut und sein Botanischer Garten


Ausgrabungen im Jahr 2018 förderten verkohlte Ziegelsteinreste eines Gebäudefundamentes zu Tage, das bei der Ausschachtung des Souterrains des heutigen CID Institutsgebäudes in der Nassauer Strasse 23 a angegraben und umgeschichtet worden war. Diese Funde boten Anlass zu Studien über die diesbezügliche Ortsgeschichte im Zeitraum 1860-1960. Die Existenz von ehemaligen Gebäudefundamenten würde bei der Interpretation der um 1960 abgerissenen Bauwerke eher auf die Version der Ziegelei als auf eine Scheune hindeuten, denn Feldscheunen und Ställe haben keine tiefgehenden Fundamente bzw. sind selten unterkellert. 




Verkohlte Ziegelsteinreste eines ehemaligen Gebäudefundamentes in der Nassauer Strasse 23


Jüngste Studien des CID Institutes förderten auf dem 1969 neu bebauten Gelände und unter benachbartem Grünland bei Ausgrabungen unzählige kleinste Keramikbruchstücke aus unterschiedlichsten Epochen und Herkunftsregionen zu Tage. Eine weitere Untersuchung des "Keramik-Phänomenes" soll nun die Herkunft der Keramikreste und ihr merkwürdiges Verbreitungsmuster erklärbar machen.
















Keramikbruchstücke unterschiedlichen Epochen und Provenienzen - Funde aus dem Botanischen Garten des CID Institutes





Kalk-Steinbruch im Eppenbachtal


Nach bisher vorliegenden Daten erstmals kartographisch erwähnt ist der Kalk-Steinbruch im Eppenbachtal im Zeitraum 1905-1915, wobei zuerst auffällt, dass seine kartierte Ausdehnung im Zeitverlauf eher ab- als zunimmt, obwohl der Gesteinsabbau zu Gebäudekonstruktionszwecken mindest bis Ende der späten 60iger Jahre angedauert haben soll.

Nachkommen der ehemaligen Steinbruch-Betreiber beziffern den Zeitraum des Beginnes des Kalkabbaues auf "vor 1890" und wahrscheinlich sogar auf "vor 1870", da um ca. 1825 errichtete Gebäude im Ort auf Kalkstein-Fundamentsockeln aufgebaut worden sind. Nach 1890 sollen mit "Marmor"-Blöcken aus dem Eppenbachtal-Kalkstein-Tagebau die Sockel mehrerer Bauwerke des Sanatoriums gesetzt und zwischen 1950 und 1970 einige Gebäudefundamente der Bieler-Berg-Wohnhaus-Bebauung gefertigt worden sein.

Abgebaut wurde im Steinbruch marine Riffkalke (Massenkalk) mittlerer Qualität, die mit dem Lahnmarmor nicht vergleichbar waren. Lage und Geologie des Steinbruches sind im Studien-Report des CID Institutes "Fossilien von Weilmünster" vom März 2016 in der Schriftenreihe Natur des Weiltales beschrieben. 


Lage des Weilmünsterer "Marmor"-Steinbruches im Eppenbach-Tal vom Kirberg aus betrachtet


Nach dem Ende des Gesteins-Abbaues im Kalksteinbruch wurde dieser an den Deutschen Vogelschutzbund verkauft der dort ein kommunales Naturschutzgebiet deklarierte. Initialer Schutzgrund waren besondere Reptilienvorkommen auf den offenen Felsflächen. Diese sind heute durch die Gehölz-Sukzession vollständig überwuchert, so dass das Steinbruch-Gelände insbesondere aus ornithologischer Sicht als Nistraum für Vögel von Bedeutung ist. Da weiträumige Gehölzflächen in der nahen Umgebung aber genug Rückzugs- und Nestbaustandorte für Vögel bieten spricht eigentlich nichts für eine Entbuschung des Steinbruchgeländes und eine Wiederherstellung der Habitate von Eidechsen und Schlangen. Diese Reptilienarten hatten bis vor Kurzem grossflächig ideale Überlebens-Refugien im ehemaligen Steinbruch Krekel welche aber durch die Wiederauffüllung dieser Tagebaufläche verloren gegangen sind, so dass Ausgleichsflächen zu schaffen wären.





Paläo-Vulkan-Kuppe im Vogelbach Tal

Geomorphologisch betrachtet weist eine Geländestruktur unterhalb des Gewerbegebietes "Muckenkaut" in der Quellregion des dort Y-förmig gegabelten Vogelbachtales auf einen Erosions-resistenten Gesteinssockel im geologischen Untergrund hin. Die waldbestandene, kegelige Bergkuppe wird von den beiden Halbtälern umspannt bevor sie an ihrem Fusse zusammenlaufen. 


Gabelungspunkt des Vogelbach-Tales unterhalb der Quellregion und die von beiden Halbtälern umspannte Hügelkuppe. Terrassenkanten am Talrand weisen auf geomorphologisch erosionsresistenteren Untergrund, also auf einen festeren Gesteins-Sockel unterhalb des Ackerbodens hin


Laut Geologischer Karte handelt es sich bei der Geländestruktur um einen von 2 Austrittspunkten vulkanischen Eruptivgesteines aus dem Zeitalter des Devon am Möttauer Berg oberhalb Weilmünster. Der zweite Vulkanschlot befindet sich östlich der Nassauer Strasse etwa auf gleicher Höhe des hier betrachteten Bergkegels und ist heute mit dem Gewerbegebiet "Auf Stein" überbaut.



Daten der Geologischen Karte zu den beiden vulkanischen Eruptiv-Flächen nördlich Weilmünsters am Möttauer Berg


Die wenig erhobene, abgeflachte Form der Hügelkuppe weist auf einen Paläo-Vulkanschlot hin, durch den die Lava nicht eruptionsartig austrat sondern langsam zähflüssig hervorquoll und sich deckenartig über die nähere Umgebung ausbreitete. Damit entspricht dieser Weilmünsterer Vulkantyp dem eines Schildvulkanes der hier paläovulkanische Diabase an die Erdoberfläche beförderte. Exakt gegenüber dem Vogelbach-Tal-Vulkan wurde in den letzten Jahrzehnten am gegenüberliegenden Talhang des Weiltales Diabas-Gestein im Steinbruch Krekel  (Hohenstein) grossflächig abgebaut.

Die Vulkankuppe in der Quellregion des Vogelbach-Tales vom Lützendorfer Talhang aus betrachtet

Ob es in der Vergangenheit zu Abbau-Versuchen des Vogelbach-Vulkan-Gesteines kam oder die Vulkankuppe anthropogen durch Akkumulation von Abraumhaldenmaterial anderenorts geförderten Gesteines überformt worden ist, ist hier unbekannt. Funde von Eruptiv-Gesteinsbrocken auf der Kuppe des Bergkegels bestätigen zwar auf den ersten Blick die These ehemaliger vulkanischer Aktivität, widersprechen aber der Vorstellung eines Schildvulkanes, der Eruptivgestein nicht herausschleudert.  



Lavabrocken vom Typ "Pyroklastische Bombe". Die tropfenförmig gerundete und in Schichten zerfallende Lava nimmt diese Form an, wenn sie nach dem Ausschleudern abrupt erkaltet

Detailansichten des vulkanischen Eruptiv-Brockens


Vergleicht man nun die Kartendarstellungen der Vulkan-Kuppe von 1911 und 1960, so deuten Anlage und Weiterausbau von Wegen darauf hin, dass anthropogene Transportaktivitäten im Umfeld des Bergkegels stattgefunden haben und somit existiert natürlich auch die Möglichkeit, dass es dort in diesem Zusammenhang zu Ablagerungen ortsfremden Gesteinsmateriales gekommen ist, die den Original-Vulkankegel heute überformen. Das wäre eine Erklärung für die Präsenz des kugelförmigen Lavabrockens.


Kartenvergleich Vogelbach-Tal-Vulkan 1960 und 1911. Der entlang des Vogelbaches das Tal heraufführende Weg und der 1960 noch kreisförmig um die Vulkankuppe führende Rundweg existieren heute nicht mehr


Der heutige Flurname des Vulkankegels ist "Schinner Kopf". Diese historische Geländebezeichnung beinhaltet allerdings keinen Hinweis auf die Geomorphologie oder Paläontologie dieses Geländesektors sondern ist ein in Deutschland weit verbreiteter Ortsname für Plätze, an denen totes Vieh und Haustiere verwertet, ausgeweidet, gehäutet und vergraben wurde. Schinner steht im norddeutschen Sprachraum für "Schinder", was im modernen Sprachgebrauch unter anderem etwa mit "Abdecker" übersetzt wird, vergleichbare gebräuchliche Flurnamen wären "Schindanger", "Schinderloch", "-kuhle", "-berg", "-wiese" oder "Schindergasse". Ob in der Weilmünsterer Ortsgeschichte einstmals der hier betrachtete Ort tatsächlich die Funktion des hier etymologisch analysierten Ortnamens verkörperte ist hier unbekannt.

Eine weitere Übersetzung des auch als Familiennamens gebräuchlichen Wortes "Schinner" soll aber auch in Bezug zum Bergbau stehen. Schinner wäre demnach eine phonetische Abwandlung des Begriffes "Schiener" und damit angeblich des im österreichischen und deutschen Sprachraum gebräuchlichen Wortes für "Zeichner von Plänen für den Bergbau" oder auch "Bergrichter", ein Begriff der insbesondere an Orten mit Silberminen diesen Familiennamen geprägt habe.

Da die geophysikalische und geochemische Genese von Erzen mit Hochtemperatur-Schmelzprozessen und Mineral-Metamorphose beim Erkalten von Eruptivgestein in Zusammenhang steht, ist also nicht auszuschliessen, dass der merkwürdige Ortsname und die erloschenen Wege auf die Suche nach oder gar die Existenz selbst einer ehemaligen Silbermine hinweisen.


Der östliche Talarm des Vogelbach-Tales und der sich dahinter erhebende Weilmünsterer Schildvulkan "VOGELBACH-VULKAN" von der Nassauer Strasse auf Höhe des IG Auf Stein betrachtet




    CID Institut Natur - Studie

Bearbeitungsstand 12.11.2018 18.12 pm







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